Mit Pauken, Fahnen und Feuertonnen

Rund 300 VW-Beschäftigte läuten die Warnstreikphase beim Autobauer ein

02.12.2024 | Jetzt ist es so weit: Die Friedenspflicht ist in der Nacht von Samstag auf Sonntag ausgelaufen, womit Warnstreiks bei der Volkswagen AG nun offiziell möglich sind. In Wolfsburg läuteten am Samstagabend rund 300 Volkswagen-Beschäftigte das Ende der Friedenspflicht ein. Vorausgegangen waren zuletzt drei Tarifverhandlungen, in denen das Unternehmen mögliche Werksschließungen und Kündigungswellen nicht ausschließen wollte. Die logische Konsequenz ist nun, dass die IG Metall die Daumenschrauben anzieht und den Druck auf das Unternehmen erhöht.

Thorsten Gröger (Bezirksleiter) zusammen mit Garnet Alps (1. Bevollmächtigte IG Metall Braunschweig, links) und Daniela Nowak (Betriebsratsvorsitzende VW Braunschweig, rechts). Archivfoto von Heiko Stumpe.

Pünktlich zur Verhandlung hatten IG Metall und der VW-Gesamtbetriebsrat zentrale Eckpunkte eines Zukunftskonzeptes für Volkswagen vorgestellt. Dieses Perspektivpapier wurde ebenfalls während der Tarifgespräche auch der Arbeitgeberseite präsentiert. Der Lösungsansatz sieht vor, die Sparziele der Unternehmensspitze über Änderungen bei den Personalkosten mit circa 1,5 Milliarden Euro zu flankieren. Ein konkreter Vorschlag von IG Metall und Gesamtbetriebsrat sieht vor, dass die anstehende Tariferhöhung bei VW vorübergehend in Form von Arbeitszeit in einen solidarischen Zukunftsfonds fließen könnte. Damit bekäme das Unternehmen ein Werkzeug, um bei Bedarf flexibel Arbeitszeitreduzierungen vorzunehmen. Sollte der Strukturwandel in Produktion oder Verwaltung zu Unterauslastungen führen, könnte der Fonds wie ein Puffer eine sozialverträgliche Gestaltung von Personalabbau unterstützen. Zudem zeigte sich die Arbeitnehmerseite bereit, im Rahmen eines umfassenden Sicherungspakets auch über die befristete Einbringung von Teilen der Ergebnisbeteiligung zu verhandeln. Dies wäre jedoch nur denkbar, wenn der Gesamtplan auch Einschnitte von Vorstand, Management und Anteilseignern vorsieht, um Investitionen in die Zukunft von Volkswagen zu ermöglichen. Ebenso fordert die Gewerkschaft Perspektiven für alle Standorte sowie eine neue Beschäftigungssicherung. 

Wenige Tage nach der Tarifverhandlung sorgten allerdings Aussagen von Markenchef Thomas Schäfer in den Medien für neue Flammen im Tarifkonflikt. „Wiederholt haben verschiedene Vorstände in den letzten Wochen erklärt, dass sie weiterhin an Szenarien festhalten, die auch Werksschließungen vorsehen. Die Stimmung in der Belegschaft ist ohnehin schon aufgeladen, doch der Vorstand sieht es als notwendig an, weiteres Brennholz ins Feuer zu werfen! In den kommenden Tagen wird das Unternehmen die Früchte seiner Entscheidungen ernten: Konflikt und Arbeitskampf! Wir haben uns am Verhandlungstisch kompromissbereit gezeigt, doch unsere ausgestreckte Hand wurde abgewiesen!“, erklärt IG Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger. „Nun folgen Warnstreiks, die das Unternehmen nicht übersehen kann. In allen Werken wird in nächster Zeit die Produktion temporär auf Eis liegen.“ 

Daniela Cavallo betont: „Der Frust in der Belegschaft ist groß. Die Kolleginnen und Kollegen suchen seit Wochen ein Ventil, um Dampf abzulassen. Das ist nun endlich da mit der Möglichkeit für Warnstreiks. Ich bin mir sicher, dass wir einen enormen Zuspruch haben werden, wenn die ersten Aktionen anstehen. Und wohin dann die Belegschaft mit ihrem Unmut will, steht auch unmissverständlich fest: In Richtung Vorstand, der Öl ins Feuer gießt, anstatt seiner Verantwortung gerecht zu werden.“

Zuletzt gab es 2021 punktuelle Warnstreiks bei Volkswagen, an denen unter Pandemiebedingungen tausende Beschäftigte teilnahmen. Größere Warnstreikaktionen fanden 2018 im VW-Haustarifgebiet statt, bei denen mehr als 50.000 Kolleginnen und Kollegen die Arbeit niederlegten. Die Friedenspflicht in der aktuell auslaufenden Haustarifrunde endete am 30. November, und ab dem Folgetag, ergo dem heutigen 1. Dezember, sind Warnstreiks möglich. Der Haustarifvertrag bei VW gilt für die sechs Standorte der Volkswagen AG (Braunschweig, Emden, Hannover, Kassel, Salzgitter und Wolfsburg) sowie für die VW-Töchter Financial Services, Immobilien und die dx.one GmbH.

Hintergrund:

Um in einer Tarifauseinandersetzung mit der Arbeitgeberseite auf Augenhöhe verhandeln zu können, gibt es das Streikrecht – verankert im Grundgesetz und vom Bundesverfassungsgericht ausführlich bestätigt. Ohne ein Streikrecht wären die Beschäftigten und ihre Gewerkschaft immer in der Rolle von Bittstellern. Am 30. November um 24 Uhr endet die Friedenspflicht. Die Friedenspflicht ist die Zeit, in der die Gewerkschaft nicht zu einem Streik aufrufen darf.

Die IG Metall fordert in der aktuellen Haustarifrunde bei Volkswagen 7 Prozent mehr Entgelt sowie 170 Euro mehr für Auszubildende. Entsprechende Tarifverträge wurden fristgerecht gekündigt. Wenn die Verhandlungen ins Stocken geraten und keine Einigung in Sicht ist, können Warnstreiks Druck auf die Arbeitgeberseite ausüben. Das wird nötig sein, denn zwischen dem, was für einen zukünftigen Kostenausgleich nötig wäre, und den Forderungen der Arbeitgeberseite liegt eine deutliche Diskrepanz. Volkswagen will in den Verhandlungen folgende Inhalte ihrer sogenannten Giftliste durchsetzen: Pauschale Senkung der Entgelt-Tabelle in allen Bereichen um 10 Prozent, Nullrunde für die Tarifrunde 2024, Entfall der monatlichen tariflichen Zulage in Höhe von 167 Euro, Streichung der garantierten Jubiläumszahlungen für 25 und 35 Jahre Werkszugehörigkeit, Reduzierung der Ausbildungsplätze von bisher 1.400 auf nur noch 600 jährlich und vieles mehr. 

(Presseinformation des IG Metall Bezirks Niedersachsen und Sachsen-Anhalt)

Unsere Social Media Kanäle