Präsentismus - fatales Phänomen

Krank zur Arbeit: Warum Sie das nicht tun sollten

10.01.2017 | Ob aus Pflichtgefühl oder aus Angst: Trotz Krankheit zu arbeiten ist ein Massenphänomen. Damit schaden sich die Betroffenen mehr, als sie denken. Und selbst die Arbeitgeber haben nichts davon.

Bild: Fotolia/auremar

Millionen Menschen in Deutschland tun es. Sie gehen krank zur Arbeit. Eine repräsentative Befragung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zeigt: Zwei Drittel aller abhängig Beschäftigten sind 2015 mindestens einmal krank im Betrieb erschienen. Fast die Hälfte hat sich sogar eine Woche oder länger zur Arbeit geschleppt, obwohl sie sich "richtig krank" fühlten. Andere Untersuchungen bestätigen diese Ergebnisse.

 

Für das Phänomen gibt es einen Fachbegriff: "Präsentismus". Menschen sind am Arbeitsplatz präsent, obwohl sie eigentlich im Bett liegen sollten. Doch warum tun sie das?
 
Angst als Motiv
Die Gründe für den verbreiteten Präsentismus sind vielfältig. Die Entscheidung, ob jemand krank arbeiten geht, hängt stark von den jeweiligen Arbeitsbedingungen ab. So gehen solche Menschen besonders häufig krank zur Arbeit, die sich

  • um ihren Arbeitsplatz sorgen
  • von besonders hoher Arbeitsbelastung berichten
  • ein schlechtes Betriebsklima beklagen.

Krank zur Arbeit gehen also vor allem diejenigen, die Angst vor negativen Folgen haben. Bei Positiv-Faktoren wie "hoher Motivation" oder "Identifikation mit dem Betrieb" zeigt sich dagegen kein Zusammenhang: Hoch motivierte Beschäftigte gehen nicht häufiger krank zur Arbeit als weniger motivierte Kollegen.

Zwischen einzelnen Berufsgruppen gibt es große Unterschiede. Laut dem "DGB-Index" gehen ausgerechnet Menschen in Gesundheitsberufen besonders oft krank zur Arbeit. Metallberufe liegen leicht über dem Durchschnitt, Mechatroniker und Maschinenbauer deutlich darunter.
 
Krank heißt krank? Sollte es zumindest
Fest steht: Wer trotz Krankheit in die Firma geht, tut sich keinen Gefallen. "Dadurch schädigt man sich selbst", warnt Petra Müller-Knöß, IG Metall-Expertin für Gesundheitsschutz. "Krankheiten werden verschleppt, flammen später umso heftiger wieder auf; womöglich werden sie chronisch." Wer sich regelmäßig krank zur Arbeit schleppt, steigere außerdem das Risiko eines Burn-Outs.

Die Metallerin rät deshalb, die Signale des eigenen Körpers erst zu nehmen. "Es wird oft so getan, als ob eine Krankheit nichts Handfestes ist; als ob man trotzdem arbeitsfähig ist. Aber darüber kann man nicht einfach entscheiden."
 
Keiner gewinnt
Hinzu kommt: Auch die Arbeitgeber haben nichts vom Präsentismus. Wer krank in die Firma geht, steckt möglicherweise die Kollegen an. Folge: Statt nur einem fallen mehrere Leute aus.
 
Kranke Beschäftigte machen zudem häufiger Fehler, die das Unternehmen Geld kosten können. Sie verursachen häufiger Unfälle, mit denen sie sich und andere gefährden. Und ihre Leistungsfähigkeit ist möglicherweise für längere Zeit eingeschränkt, als wenn sie sich direkt auskuriert hätten.

Kein Wunder also, dass die Kosten des Präsentismus die Kosten des Krankenstands weit übersteigen. Erscheinen kranke Beschäftigte am Arbeitsplatz verursachen sie laut einer Studie doppelt so hohe Kosten, als wenn sie zu Hause geblieben wären.

Eine Studie der Unternehmensberatung PriceWaterhouseCoopers kommt zu dem Ergebnis, das die deutsche Volkswirtschaft dadurch rund ein Zehntel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) einbüßt.

Wie man es also dreht und wendet: Das Phänomen Präsentismus kennt nur Verlierer. Übrigens ein gutes Argument, wenn Vorgesetze bei einer Krankmeldung meckern oder darauf hinweisen, dass man trotz Krankschreibung jederzeit zur Arbeit erscheinen könne.

IG Metall-Expertin Müller-Knöß rät bei solchen Fällen, sich an den Betriebsrat zu wenden. Und auch Gespräche im Kollegenkreis könnten sinnvoll sein. "Vielen Menschen hilft das Wissen, mit dem Problem nicht allein zu sein."

Von: pw/dud

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