Zukunftspakt vereinbart

Siemens: Investitionen in Qualifizierung

27.07.2018 | Die Digitalisierung ändert die Arbeitswelt grundlegend. Bei Siemens hat das Management jetzt auf Druck von IG Metall und Gesamtbetriebsrat einem Zukunftspakt zugestimmt, mit dem die Transformation im Sinne der Beschäftigten gestaltet werden soll. Geregelt werden Investitionen in Qualifizierung.

Foto: Thomas Range

Fortschreitende Digitalisierung und umfassende Vernetzung, so viel ist gewiss, wird die Arbeitswelt grundlegend verändern. Weitgehend unklar ist dagegen, welche Folgen das haben wird - für die einzelnen Unternehmen, für ihre Produktionsprozesse und Geschäftsmodelle, vor allem aber für die Beschäftigten, für ihre Arbeitsplätze und Aufgabenstellungen. Wie werden sich Zahl und Tätigkeitsprofile der Arbeitsplätze wandeln? Welche neuen Fähigkeiten und Fertigkeiten werden Beschäftigte zukünftig entwickeln müssen? Kurz gesagt: Wie kann die Transformation in die "Arbeitswelt 4.0" so gestaltet werden, dass niemand unter die Räder kommt?

Bei Siemens hat das Management nun auf Druck von IG Metall und Gesamtbetriebsrat einem "Zukunftspakt" mit Gewerkschaft und Betriebsräten zugestimmt, der helfen soll, den digitalen Wandel im Unternehmen im Sinne der Beschäftigten zu gestalten - und der vor allem verstärkte Investitionen und Anstrengungen in die Lern-, Anpassungs- und Zukunftsfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelt. "Damit ist uns ein wichtiger Schritt gelungen, den Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen, die Digitalisierung mit den Beschäftigten zu gestalten", sagt IG Metall Hauptkassierer und Siemens-Aufsichtsrat Jürgen Kerner.

Wie wichtig die Gestaltung der Digitalisierung im Sinne der Beschäftigten ist, wie elementar die Regelungen im "Zukunftspakt" sind, das unterstreicht eine von IG Metall und Siemens-Gesamtbetriebsrat in Auftrag gegebene Studie. Wissenschaftler der Hans-Böckler-Stiftung und des unabhängigen IMU-Instituts haben untersucht, welche Folgen fortschreitende Digitalisierung fürs Unternehmen hat. Die Beschäftigtenzahl, so ein zentrales Ergebnis der Studie, dürfte bei Siemens in den kommenden Jahren weitgehend stabil bleiben. Allerdings kommen die Autoren, die für ihre Arbeit mit Führungskräften und Betriebsräten gesprochen haben und auch zahlreiche Siemens-Dokumente analysieren konnten, zu dem Schluss, dass sich die Arbeitsbedingungen für viele Beschäftigte im Unternehmen grundlegend wandeln werden. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass bei Siemens künftig komplette Abteilungen und Hierarchieebenen wegfallen. Die Beschäftigten müssen sich darauf einstellen, in immer neuen, flexiblen, über Abteilungsgrenzen hinweg arbeitenden Teams zusammengesetzt zu werden. Es wird, so die Studie, zu einem grundlegenden, raschen Wandel von Aufgaben, Arbeitsweisen und Arbeitsumfängen kommen.


Für die Beschäftigten ist daher Weiterbildung und Qualifizierung elementar. Der vereinbarte Zukunftspakt trägt der Analyse der Studie Rechnung: Aus diesem Grund wird ein "Zukunftsfonds" mit einem Volumen von 100 Millionen Euro für zunächst vier Jahre aufgelegt, mit denen konkrete Projekte zur Qualifizierung, finanziert werden sollen. Die Mittel hierzu werden von einem paritätisch besetzten Vergabeausschuss vergeben. "Wir wollen und wir werden den strukturellen Wandel im Sinne der Beschäftigten gestalten", sagt Jürgen Kerner. "Dazu müssen die Beschäftigten mitgenommen werden, dazu muss das Unternehmen in Qualifizierung investieren. Siemens muss zu einer lernenden Organisation werden, die dem Wandel adäquat begegnet. Das heißt auch: Keiner darf auf der Strecke bleiben."

Auch Gesamtbetriebsratsvorsitzende Birgit Steinborn freut sich über diesen Zukunftspakt: "Das Entscheidende daran ist, dass proaktiv der Wandel angegangen werden soll und dass auch dem Management klar ist: Strukturwandel gibt es nicht umsonst. Da ist es doch besser in Weiterbildung zu investieren statt in immer wieder kehrende Sozialpläne."

Zusätzlich zur kontinuierlich geförderten Kompetenzentwicklung der Beschäftigten soll es mehr Transparenz beim internen Arbeitsmarkt geben: Künftig müssen freie Stellen auf allen Hierarchieebenen ausgeschrieben werden. Dazu wird es Transparenz über zukunftsfähige Kompetenzen und Fähigkeiten auch in bestehenden Jobprofilen geben. Der Vorstand verpflichtet sich, der Belegschaft Orientierung darüber zu geben, welche Kompetenzen als zukunftsfähig und chancenreich betrachtet werden - und zwar, mindestens einmal im Jahr, speziell für jeden einzelnen Siemens-Standort. So soll es Beschäftigten möglich werden, die Planungen und Anforderungen an den jeweiligen Standorten detailliert zu überblicken, eigene Entwicklungsmöglichkeiten zu erkennen und dann auch verwirklichen zu können.

Nicht zuletzt sollen sich Siemens-Beschäftigte künftig auf Firmenkosten auch in ihrer Freizeit weiterbilden - und zwar ausdrücklich auch über die derzeitige Tätigkeit hinaus. Führungskräfte müssen ihren Angestellten erlauben, in der Arbeitszeit zu lernen und sich weiterzubilden, wenn diese auch Teile ihre Freizeit dafür einbringen, so ist es vereinbart. "Die Einzelheiten zu diesem Zukunftspakt werden wir in einer Gesamtbetriebsvereinbarung regeln", sagt Birgit Steinborn.

Von: igmetall

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