Delegation aus Chile in Braunschweig zu Besuch

Camila Vallejo: „Wir wollen zeigen, dass es sich lohnt, etwas gegen den Neoliberalismus zu tun“

02.02.2012 | In Chile rumort es. Mit zivilem Ungehorsam, Streiks und Studierendenprotesten wenden sich Gewerkschafter, Studierende, Umweltaktivisten und andere gegen soziale Ungerechtigkeit und die Privatisierung von Bildung. Darüber berichtete eine Delegation aus Chile im Braunschweiger Gewerkschaftshaus. Neben Camila Vallejo, der international prominenten Vizepräsidentin des chilenischen Studierendenverbandes, waren auch Jorge Murua Saavedra (Metallgewerkschaft CONSTRAMET und Mitglied in der Leitung des Gewerkschaftsdachverbandes CUT) und Karol Aida Cariola Oliva (Vertreterin der sozialen Bewegungen) zu Gast in Braunschweig.

Spannende Diskussion im Gewerkschaftshaus. Vorn rechts: Camila Vallejo, Vizepräsidentin des chilenischen Studierendenverbandes

<link internal-link>Bildergalerie vom Besuch der Delegation und der Diskussionsveranstaltung...

 

In einer Diskussionsveranstaltung schilderten sie ihre Erfahrungen im Kampf um die Durchsetzung ihrer Interessen, über die Möglichkeiten von breiten gesellschaftlichen Bündnissen und über die Schwierigkeiten der Demokratiebewegung im stark neoliberal geprägten, postdiktatorischen Andenstaat.

 

Detlef Kunkel, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Braunschweig, zeigte sich hocherfreut über den anregenden Erfahrungsaustausch mit den Südamerikanern. „Unsere Gäste aus Chile haben uns aufgezeigt, was alles möglich ist, wenn es gelingt, die grundlegenden menschlichen Interessen gemeinsam zu vertreten. Für unsere Arbeit in Braunschweig und in der Region denke ich diesbezüglich nicht zuletzt an Themen wie Atommüll, unser Engagement gegen Rechtsextremismus sowie Studiengebühren und Bildungshürden, bei denen auch wir im Bündnis mit fortschrittlichen gesellschaftlichen Kräften für eine gemeinsame Sache streiten.“

 

Umgekehrt zeigte sich Metallgewerkschafter Murua Saavedra sehr interessiert, von den deutschen Gewerkschaften und ihren Verbandsstrukturen zu lernen, wie man die Arbeitnehmervertretung kampfstark organisiert.

 

Am Nachmittag war die chilenische Delegation zu Besuch beim Betriebsrat des Volkswagenwerkes Braunschweig und hatte dort Gelegenheit, sich über die betriebliche Mitbestimmung bei VW zu informieren. Nach einem Austausch mit Betriebsrat, Vertretern der Vertrauenskörperleitung , der JAV und der Unternehmensleitung ging es in Coaching-Abteilung von Volkswagen. Bei Volkswagen konnte die IG Metall durchsetzen, dass alle Auszubildenden nach ihrem Abschluss vom Unternehmen übernommen werden - eine positive Überraschung für die chilenischen Gäste.

 

Zur Abendveranstaltung im Gewerkschaftshaus kamen etwa 200 Interessierte, darunter viele Studierende. Der große Saal war damit ausgelastet. Camila Vallejo schilderte eindrucksvoll, wie die Bildung in ihrem Heimatland von einem gesellschaftlichen Gut zu einer bloßen Ware gemacht wurde. "Nur die Unternehmen, die uns Bildung verkaufen, und deren Vertreter zum Teil mit am Regierungstisch sitzen, profitieren von der der Privatisierung der Bildung. Gleichzeitig häufen die Studierenden immer größere Schulden an, andere haben gar keine Chance voranzukommen."

 

Karol Aida Cariola Oliva ergänzte: "Es geht darum, die tiefgreifende Ungerechtigkeit im System zu beseitigen, den ungleichen Zugang zu Bildung, der die gesellschaftliche Spaltung verschärft."

 

Beide waren sich mit Metallgewerkschafter Jorge Murúa darin einig, dass in Chile fundamentale strukturelle Änderungen dringend nötig sind und dass dazu die soziale Bewegung noch größer und breiter werden muss. "50 Prozent der chilenischen Haushalte haben monatlich unter 500 Euro zur Verfügung, von den Folgen des ungehemmten Neoliberalismus sind weite Teile der Gesellschaft betroffen", so Jorge Murúa.

 

Die Veranstaltung wurde von Achim Bigus mit Liedern von Victor Jara an der Gitarre musikalisch begleitet, immer wieder sang auch ein Teil des Publikums mit.

 

Die Berichte der Chilenen führten zu einer spannenden Diskussion im Saal des Gewerkschaftshauses, die von Eva Stassek, zweite Bevollmächtigte der IG Metall, moderiert wurde. Besucher der Veranstaltung werden unter dem Eindruck des Abends die zukünftige Entwicklung in Chile sicher weiter mit Interesse - und Solidarität- verfolgen.

 

Von: mm/dud

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